Busfahrt in Marokko

Ein paar Kilometer vor Essaouira, Marokko, wir stehen. Oder besser, wir sitzen in einem stehenden Bus, der nun seit 20 Minuten mit laufendem Motor auf den Fahrer wartet. Bis vorhin hatte dieser den Bus stundenlang sicher durch schwieriges Gelände mit riesigen, wasssergefüllten Löchern gefahren, es hatte hineingeregnet und nach verschiedensten Dingen gerochen.

Bei jedem 10-Minuten-Halt, wie üblich mit laufenden Motoren, strömten BettlerInnen herein, die mehr oder weniger fantasievoll, aber alle sehr laut nach Dirham heischten. Da wurde rezidiert, gesungen, gepriesen, verwunschen und rhythmisch geklopft, Küchlein wurden verkauft, dessen Ingredienzen hier besser nicht näher beschrieben werden, an jedem Ort, nebelten Grill-Fleisch-Gerüche herein.

Aber nun steht der Bus am Strassenrand, rundherum nichts ausser Ginsterbüschen und Olivenbäumen kurz vor unserem Ziel, der Fahrer draussen am Diskutieren mitten in der Pampa. Der Grund unseres Stopps zeigt sich in Form eines enorm wichtig aussehenden Zeltchens (4 Stangen in die Erde gesteckt und ein löchriger Stoff darüber. Darunter steht ein Tisch und  ein Stuhl, auf dem ein ebenso wichtig aussehender Mann sitzt. Ein Gendarm, kein Polizist, wie man mich aufklärt. Rundum in herum weibeln fünf weitere Uniformierte. Es wird mit viel Papier handiert, in Bücher geguckt, Passagen daraus den Kollegen gezeigt, und Zettel ausgefüllt. Der Mann auf dem Stuhl scheint auf grund verschiedenster Dekorationen an seiner Jacke ziemlich klar der Vorgesetze aller anderen  zu sein, auch darf im Gegensatz zum Rest sitzen und Wasser trinken.

Der Unterschied zwischen Polizisten und Gendarmen soll erheblich sein, Gendarmen sind beim Verteidigungsministerium angestellt, auch wenn sie in Marokko gar kein Verteidigungsministerium mehr haben,  Polisten bloss bei der Stadt, für mich persönlich bleibt der Unterschied aufjedenfall schleierhaft.

Nach weiteren 10 Minuten kommt der Fahrer missmutig wieder, alle im Bus wollen wissen, was los war, ich muss warten bis die Übersetzung folgt. Der Grund war, dass der Bus 5 Minuten Verspätung hatte, als er bei besagtem Zelt mit Tisch hochoffiziell vorbeifuhr.

Das kostete den Fahrer Busse und etliche zu unterschreibende Formulare, ansonsten liess man ihn und seinen Bus samt der Passagiere genüsslich warten, während ebenso genüsslich andere Strassenbenützer angehalten und gleichem Prozedere  mit anderen Gründen, versteht sich, ausgesetzt wurden.

Schliesslich, nach dem der Busfahrer den Gendarmen verkündet hatte, dass er Menschen und keine Tomaten transportiere, sind wir dann mit 35 Minuten (!) Verspätung weitergefahren.

Wirklich absolut überraschend und bewundernswert ist die gelassene Ruhe und Geduld, die  marokkanische Menschen bei solcherlei Nervereien aufbringen.  Man wartet, lächelt und hält aus. Es wird ein wenig diskutiert und spekuliert, niemand flippt aus, oder hat dringend einen Termin. Selbst die Kleinkinder und Säuglinge und davon gibts einige im Bus, bleiben merkwürdig zufrieden und friedlich.

Vielleicht hängt das damit zusammen, dass die meisten Kinder noch hinten an der Mutter hängen. Nicht in ultratopschicken, eigens fürs Baby gekaufte, handgewebte Tragetuch aus dem Baby-Wunderland, für welches man dann aufjedenfall einen Kurs machen muss, „wie trage ich mein Baby ergotherapeutisch richtig?“, sondern angebunden mit dem was grade rumlag, als man von zu Hause wegging. Um die Kids wird alles in allem weniger Theater gemacht, und so machen auch die Kleinen weniger Theater. Easy.

Was die Gendarmen angeht, so verdienen die meisten nicht genug, um eine ganze Familie zu ernähren und so schaut man halt, dass man irgendwie zu noch mehr Kohle kommt, so wie in der vorangegangenen Episode. Logik spielt da keine Rolle, das wissen alle.  Also durchhalten und sich irgendwie unterhalten bis es weitergeht.

Eine Moral der Geschichte fällig? Bei uns müssen sogar die Tomaten weniger lange warten. Sollte doch reichen, oder?

Ein Gedanke zu „Busfahrt in Marokko“

  1. Naja, wenigstens wissen die Menschen in Marokko wer dieses Buss-Geld erhält!
    Wir in der Schweiz denken z.B. die Gesundheitskosten werden immer teuerer.Dabei ist seit einigen Jahren ein neuer Kostensteigerungsfaktor mit der Gilde der unabhängigen Finanzberater oder Versicherungsbroker entstanden. Diese werden von den Versicherungen mit Insentiv-Reisen und Prämien umschwirrt, damit sie neue Kunden anschleppen…. Und im nächsten Jahr werden natürlich wieder andere Versicherungen empfohlen…. Seltsam, irgendwie ist es mir lieber, wenn mir das Geld direkt aus der Tasche gezogen wird, als über scheinheilige Umwege… Mit oder ohne Verspätung…. ;o)

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