Gleichbrei, 2. Teil

Wieder einmal mehr staune ich über die schafsartige Geduld und Genügsamkeit der Bevölkerung, wenn im Städtchen XY gefeiert wird. Das hi und da gefeiert werden muss, liegt in der Natur des Menschen, aber die Art und Weise hat sich drastisch verändert. Ohne Geld muss der Bürger gar nicht mehr auf die Strasse, Stimmung kommt erst nach dem Genuss des örtlichen Biers auf.

Wo früher auf die ehemals heidnischen und fest im Volk verankerten Feierlichkeiten und Rituale die christlich-religiösen Bräuche aufgepropft wurden, verändert man heute genauso entschieden die kleinen aber feinen Gemeindeanlässe zu gewinnträchtigen Mega-events immer gleicher Art.

Der Mensch ist nur was wert, wenn er Geld anschafft, und auch nur dann ist ihm das Mitfeiern erlaubt. Kaufstadt XY feiert! Die Jugend darf ihr Sackgeld auf dem schweineteueren Lunapark ausgeben, und den Rest des Abends dekorativ rumhängen.

Eigene Kultur fern von gewinnträchtigen Anlässen zu produzieren, liegt somit so fern wie Timbuktu, man konsumiert auch Musik und Theater weitgehend von aussen. Fremde Federn sehen auch toll aus! Dass da eine phlegmatische „Ist mir doch egal“-Stimmung aufkommt liegt auf der Hand. Schade für einen so spannenden Ort mit sovielen Nationalitäten und Ethnien! Einer der sonnigsten Städte in der Gegend führt ein kulturelles Schattendasein und bedient sich, wann immer möglich der Ausrede, dass man ja Brücken schlage zum Ort XY im Nachbarsland, wo bedeutend mehr eigene, selbstkreierte Kultur stattfindet.

Im Stadtrat von XY ist man sich uneins. Natürlich hat man es gerne, wenn die Einwohner kreativ sind, solange kein kontinuierlicher Raum dafür benötigt wird. Und wenn, soll das in der Kasse der Stadt spürbar werden. Abgesehen davon fährt man mit dem Engagieren professioneller Musik- und Theatergruppen besser, das zieht die Massen an. Pure Lust am Spielen, oder diese Lust gar zu fördern, wird höchstens für die sich langweilende Jugend als sinnvoll betrachtet, und obliegt der Verantwortung und der freiwilligen Hingabe von idealistischen ewigpositiven Spinnern, deren Energie und Arbeit über Jahre hinweg mit mildem Lächeln und einem Trinkgeld honoriert wird. Sie dürfen sich dann, ebenso mit einem Lächeln, für diese Aufmerksamkeit dankbar zeigen und ab und zu den Kopf für ein Bild in die örtliche Zeitung hinhalten. Natürlich lächelnd.

Magerwiesen produzieren die schönsten Blumen. Stimmt.

Aber die gnadenlose Überdüngung mit konsumfördernden Events nimmt individuellen, kleinen nicht profitorientierten Anlässen – die lediglich dem dienen, was ein Fest eigentlich sein sollte, Begegnung und Austausch, Tanzen und Singen – den Lebensnerv.

Irgendwie mutieren wir, was kulturelle Nahrung angeht zu Säuglingen, denen am Besten alles gut vorgekaut verabreicht werden muss, und die vollkommen abhängig davon sind, wer ihnen zu essen gibt und welche Nahrung es ist.

Wie war das noch mit der Aussage der Stadträtin Hinze Kunzelmann:

„Wir müssen wieder deutlicher unsere Traditionen leben! Multikulti hatten wir in den vergangenen Jahren genug!“ Traditionen? Multikulti? Ich höre da nur Geldklimpern und Notenrascheln und das Gegröhle der Biertrinker (was ja immerhin schon sehr traditionell ist, wenn man davon absieht, dass die Brauerei im Ort auch irgendwelchen Ausländern gehört).

Dann schon lieber die Stadträtin Inte Grations-Mühen aus der selben Gemeinde, die in ihrer diesjährigen 1.August-Rede zu bedenken gab, dass das städtische Leben in XY nicht mehr dasselbe wie früher sei, weil wir so viele verschiedenen Ethnien hier wohnen hätten, und dieser Tatsache dringend ins Auge geblickt werden müsse.

Wären nicht gerade Feste für diesen Zweck ideal, wo man sich gegenseitig seine noch vorhandenen  Traditionen vorleben, -tanzen, -singen, -spielen könnte?

Solcherlei würde das Selbstbewusstsein, das Selbstwertgefühl und die Kreativität enorm steigern und die Stadt XY hätte endlich interessierte, offene und mitdenkende Bürger und nicht nur konsumabhängige, ängstliche Schafe.

2 Gedanken zu „Gleichbrei, 2. Teil“

  1. Ach Eeva, ich hätte diese erfrischenden Worte gerne als Leserbrief im Fryxz-Anzeiger gelesen. Idealerweise letzte Woche wo der neue grenzüberschreitende xy-Kulturführer, welcher nun alle 2 Monate verschickt wird, der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
    Ich bin überzeugt, dass sich noch mehr Menschen über Deine Worte gefreut hätten. UND ein paar hätten sich natürlich geärgert ;o) Aber ist es nicht umso wichtiger, dass auch der Gegenpool zum Einheitsbrei „sichtbarer“ wird.
    Hier also mein Tipp, wenn Du Dich so richtig warmgeschrieben hast, dann Copy als Leserbrief an den Fryxz-Anzeiger.
    Beat

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