So ein Theater!

Lampenfieber im Endstadium, 14 Jugendliche zittern hinter der Bühne, warten auf den 1.Auftritt von dreien. Gespielt wird das Jugendstück „Der Platz“. Das Ensemble besteht aus 14 Jugendlichen zwischen 13 und 17 Jahren, aus drei verschiedenen Schulen, nämlich der Real-, der Sekundar- und der Bezirksschule.
Der Zuschauerraum ist gestossen voll, man wartet gespannt…
Aber wie üblich ist zumindest für mich, als Regisseurin der Hauptakt gelaufen, und so ist das Präsentieren getaner Arbeit eher eine Art von Krönchen…
Drehen wir mal die Uhr zurück zum Anfang, zur Ur-Idee in den Sommer 2008.

Endlich Sommerferien! Meine Tochter und ihre Freunde geniessen die Ferien und haben glücklicherweise nebst dem Computer und dem Fernsehen tatsächlich das Bedürfnis, sich draussen zu treffen und sich zu bewegen.

Der Platz vor unserem Haus hat genau die Ausstrahlung, die die Jungen anzieht, man lacht, kichert, spielt Ball und hört Musik.
Wen erstaunt’s, dass pünktlich nach 22 Uhr die Nachbarn reagieren, sich über Lärm und Littering enervieren und sich bei mir beschweren, so dass ich mich genötigt sehe, die Leute zu mir reinzuholen, wo das Ganze dann erleichtert und zufrieden weitergeht.
Im Ort ist es auch üblich, junge Leute die unter 16 Jahren und nach 23 Uhr unterwegs sind, nachhause zu schicken, selbst wenn Ferien sind.
Nach und nach veränderte sich damals unsere Wohnung zu einem Jugendzentrum und ich musste mir zuliebe Öffnungszeiten festlegen.

Hier im Ort gibt es genau ein offizielles Jugendzentrum, welches aufgrund hoher Immigrantenzahlen vor allem Jugendliche aus dem Balkan und Portugal anzieht, jedoch von einheimischen Jugendlichen gemieden wird.
Für so eine grosse Gemeinde ist das sowieso ein Affront, aber für eine Gemeinde mit einem derart grossen Anteil an fremdländischen Jugendlichen eine Katastrophe. Die Durchmischung mit einheimischen Jugendlichen und somit auch die Integration findet meiner Meinung nach erst statt, wenn mindestens 3 Häuser zusammenarbeiten.
Eine finanzielle Frage, wie gehabt.
Das Thema für unser Theater-Ensemble, nämlich mehr Plätze, wo sich Jugendliche ohne Konsumzwang und zuviel Kontrolle treffen können, zu schaffen, war gesetzt.
Wir schufen auf der Bühne einen künstlichen „Platz“ und fingen an
Situationen zu sammeln, die auf dem Platz stattfinden könnten. Durch Improvisationen entstanden Szenen im Bereich der Familie, Schule und der Freizeit, die durchaus in der Realität wieder zu finden sind.
Ein Skript zu schreiben ist eine unglaublich detaillierte, zeitaufwendige Arbeit und erfordert einiges an Vorstellungsvermögen, aber die Begeisterung mit der die jungen Leute dann dem fertigen Produkt Leben einhauchten, war rührend und der Aufwand, den sie aufbrachten für Proben innerhalb ihrer Freizeit, an Sonn- und Feiertagen, an denen andere jungen Leute eher am Konsumieren sind, war wirklich riesengross. Zusätzlich waren die Aufführungen vor den Sommerferien, genau die Zeit in der man sich plötzlich an allen Schulen erinnert, dass ja da noch einige Proben fällig wären.
Umsomehr erstaunte mich, dass im Publikum praktisch keiner der Lehrpersonen gesessen ist, die immer so leidenschaftlich über die Unwilligkeit, Frechheit und Aggressionen der Schüler klagen, nach Ritalin schreien und Eltern anprangern.
Irgendwie beschlich mich das Gefühl, dass es sehr populär unter der Lehrerschaft ist, zu jammern und erstaunlich aggressiv nach griffigen Bestrafungsmassnahmen zu fordern.

Sind nicht gerade wir Lehrpersonen aufgefordert hinter die Kulissen des Schulalltags der Schüler und Schülerin zu schauen um die Zusammenhänge zu erkennen, die vielleicht helfen könnten neue pädagogische Wege zu begehen?

Nur ausschliesslich auf die Schwierigkeiten, die junge Leute in einer erwachsenen Welt machen zu reagieren und die Klassenzimmertüre nach Feierabend auch im Kopf zu zu machen ist ignorant, weil ängstlich und führt zu genau diesen Sorgen die wir zur Zeit haben.
Wir wollen in neue Schläuche alten Wein füllen. Es geht aber um ein komplettes Umdenken und dies kann nur geschehen, wenn Dinge wie Supervision, Bewusstseinserweiterung, und Nutzen der Herzintelligenz in den nächsten Jahren Hauptthema wird.
Wenn wir in unseren Lehrkreisen schimpfen, Mobbing betreiben, Burn-outen, und uns nicht gegen unsinnige Gesetzesauflagen wehren, können wir nicht von unseren Kindern erwarten, in uns ein gutes Vorbild zu haben. Nichts anderes nämlich machen die Kids. Sie imitieren eine Erwachsenenwelt, die nun alles andere als vorbildlich bezeichnet werden kann.
Wir stehen unter Stress, produzieren zuviel Abfall, beuten andere Völker aus, rempeln uns vollkommen rücksichtslos unseren Weg nach oben. Wir sind süchtig, können nicht für Gerechtigkeit sorgen und unterdrücken uns gegenseitig.
Muss dies aus der Sicht des Kindes nicht als verlogen angesehen werden? Kinder und Jugendliche wollen aber Herz, Gradlinigkeit und Authenzität und das bringen sie mit steigender Vehemenz zum Ausdruck.
Wenn wir doch immer voller Überzeugung sagen, wir wollen die jungen Leute da abholen wo sie sind, sollten wir auch wirklich überlegen, wo wir sie stattdessen hinbringen wollen.

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