Gleichbrei, 3.Teil

Begegnung in der Gemüseabteilung, Migros mit einer Kollegin, ebenfalls im Schulwesen tätig. Thema ist die Problematik der Jugend in der Schule, vor allem der ausländischen Jugend.
„Weißt du,“ starte ich hoffnungsvoll, „es ist einfach nötig, den Jugendlichen Aufmerksamkeit und Platz einzuräumen!“

„Also, ich finde ja,“ meint sie leicht abwehrend, „die holen sich ja genug Aufmerksamkeit und Sonderleistungen, was soll man denn da noch tun? Ich meine, ich kann ja verstehen, warum sich so viele Leute ängstigen, ich meine es hat ja auch sehr viele Ausländer da ,wenn ich dann nicht mehr sagen kann, was ich will, oder sie sogar mitbestimmen…!“
Ich bin entgeistert. Das ist diese alte Leier mit der bald jeder halbwegs gesellschaftskritische Kabaretist seine Nummer anfängt.
Vermutlich bin ich auch zu idealistisch. Ich glaube fest an den gesunden Menschenverstand und die Dringlichkeit der Information, um ein ganzes Bild von was zu bekommen.
Immerhin sorgt die Frau in ihrem Job dafür, dass einige ausländische Kinder die deutsche Sprache lernen und somit wäre der Zugang zu mehr Wissen und Verständnis für die andere Mentalität und Kultur eigentlich gegeben.
Was also genau lässt intelligente Menschen gemeinsam und schafartig höchst abgedroschene Sätze formulieren, die zu einer noch abgedroscheneren Meinung führen? Die Sicherheit lieber eine höchstzweifelhafte Anschauung mit vielen zu haben, als seine ureigene, durch offene Augen und Sinne erlangte, alleine?

In unserer Stadt leben bis zu 80 verschiedene Nationalitäten und Ethnien und das Jahresthema heisst: „Geschichte schreibt Geschichten“.
Nein, ich hab nichts dagegen zum 100-Mal die haarsträubend interessante Geschichte der Geiss zu durchleben, mit der das Kaff anscheinend die Schweden vertrieb, auch wenn diese in Wahrheit unspektakulärerweise den Ort gar nicht tangiert haben und die Story sich sowieso, mit varierendem Vieh, in ganz Deutschland wiederholt. Aber ich hab auch nichts dafür. Es löst eine tiefe Langeweile aus.
Ort im romantizierten Vergangenheitsstatusquo.
In der Zwischenzeit haben in mehreren Kneipen und Läden balkanische Betreiber übernommen, freundliche angenehme, unaufällige Menschen die mit Nachdruck und Jammerfreiheit ihrem Geschäft nachgehen.
Bis anhin assimiliert, aber nicht integriert. Allzu unhelvetisch solls nicht daherkommen, wir haben schliesslich Traditionen…und an die klammern wir uns trotz helvetischem Geburtenrückgang, Wirtschaftskrise und Schulbaustelle.
Abgesehen davon scheint mir die einzige Tradition vorort, in immer den selben alten Küchen mit immer den selben faden Zutaten zu kochen.

Wenn der Kopf gemeinsam in den Sand gesteckt wird, hat jeder Sand in den Augen. Sinnigerweise jammert man eher über den Sand in den Augen, als über die Tatsache den Kopf darin zu haben.

Douglas Adams schreibt in seinem Buch: Machts gut und danke für den Fisch“:
„Vor mehr als 2000 Jahren wurde ein Mann gekreuzigt, nur weil er den Leuten verkündete, sie könnten doch zur Abwechslung mal alle nett zu einander sein.“

Wir Schweizer sind ja schrecklich nett, wir haben die Nettigkeit fast gefressen.
Darum gibt’s bei uns auch eher „Rassismus light“. Nicht ganz so hart, aber nachhaltig. Nicht? Irgendwo hört die Liebe nämlich auf, Jesus hin oder her.

Ein Gedanke zu „Gleichbrei, 3.Teil“

  1. Endlich einmal eine spannende 1. August-Rede! Da hät sich wohl der eine oder andere an seinem Dürüm äh an seiner Bradwurscht verschluckt…

    Erfrischend wieder etwas von Dir zu lesen :o)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert